Dienstag, 18. Oktober 2011

Eine Verbeugung vor Hemingway, Picasso und Dalí

Filmkritik „Midnight in Paris“

Woody Allen kann es einfach nicht lassen. Auch in seinem neusten Film „Midnight in Paris“ muss er wieder seinen Unmut gegen die konservative Partei der Republikaner unterbringen. In dieser romantischen Komödie, bei der Allen er als Regisseur und Drehbuchautor tätig war, lässt er seine Hauptfigur die Anhänger der Republikaner als „demenzkranke Trottel“ beschimpfen. Dieser amüsante politische Seitenhieb gleich zu Beginn des Films ist nur einer von vielen Gründen, warum man sich diesen Film unbedingt anschauen sollte.

In „Midnight in Paris“ geht es um Gil (Owen Wilson), einen erfolgreichen Drehbuchautor, der gerade an seinem ersten Roman arbeitet. Was ihm fehlt, ist die Inspiration. Als Muse dienen ihm zum einen seine Verlobte Inez (Rachel McAdams), zum anderen eine Dame namens Paris. Nein, nicht Hilton. Gemeint ist tatsächlich die Hauptstadt Frankreichs. „Sieh dir das nur an. Das ist unglaublich. So eine Stadt gibt es kein zweites Mal auf der Welt, gab’s noch nie! und „Kannst du dir ausmalen, wie abgefahren schön diese Stadt im Regen ist?“, schwärmt der Protagonist gleich zu Anfang des Films. Deswegen plant er auch, in Paris alt zu werden – ein Lebenstraum, von dem er seine Freundin ganz und gar nicht überzeugen kann. Inez will eigentlich gleich nach der Reise, auf der sich die beiden befinden, wieder zurück nach Beverly Hills. Midnight-in-Paris-Pressefoto

Weil es Gil gefällt, des Nachts durch die Straßen der französischen Hauptstadt zu wandeln, entdeckt er bald durch Zufall eine Möglichkeit, das Paris vergangener Tage kennen zu lernen. Immer, wenn Gil sich an einer bestimmten, geheimnisvollen Ecke der Stadt aufhält, und dort genau bis Mitternacht wartet, fährt eine Limousine vor, und nimmt den Autor mit ins Paris der 1920er Jahre. Dort trifft er auf seine großen Vorbilder Ernest Hemingway, Pablo Picasso und dessen Geliebte Adriana, Francis Scott Fitzgerald, Salvador Dalí und Gertrude Stein. Er plaudert, feiert, trinkt, lacht und flirtet mit diesen Figuren. Er holt sich Feedback zu seinem Romanentwurf von seinen persönlichen künstlerischen Vorbildern. Immer dann, wenn die Nacht zu Ende ist, ist auch der Spuk vorbei.

Diese skurrile Zeitreise-Geschichte ist eine Hommage an die Stadt Paris, aber auch eine Hommage an die Kunst und die Literatur im Allgemeinen, und eine Verbeugung vor Hemmingway, Picasso, Dalí und ihren Zeitgenossen. In 94 unterhaltsamen Minuten wird erzählt, wie wundervoll es sein kann, in der Geschichte zu versinken, in Erinnerungen zu schwelgen und eins zu werden mit längst vergangenen Ereignissen – und dass es aber auch notwendig ist, immer wieder ins Hier uns Jetzt zurückzukehren. Eine Botschaft, die – hat man sie erst mal verinnerlicht – durchaus unkitschiger ist, als es sich anhört.

„Midnight in Paris“ ist alles in allem ein wundervoller Film. Woody Allens neustes Werk überzeugt mit sympathischen Charakteren, witzigen Dialogen und charmanten Einfällen. Sicher: Die Idee, dass ein verträumter Hansguckindieluft eine Möglichkeit findet, sich in eine Traumwelt zu flüchten, ist nicht unbedingt neu. Aber es wirkt erfrischend, dass diese Liebeskomödie mit manchem Hollywood-typischen Erzählmustern bricht – allein schon durch das überraschende und offene Ende. Mehr sei an dieser Stelle aber nicht verraten. Schaut es euch einfach selbst an. Der Film lohnt sich und bekommt von mir sieben Eiffeltürme auf der nach oben offenen Romantik-Kitsch-Skala.

Offizielle Film-Homepage: http://www.midnight-in-paris.de//

Foto: Concorde Filmverleih
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